Welche angenehme Stimmung, die mich am Morgen um sechs weckt. Zarte Winde streichen durch das Gefieder der prächtigen Kastanie im Innenhof des Meisenheimer Hofs und versammeln sich in meinen Sinnen. Das sorgsam gestaltete Tischtheater im Hof wird sanft eingenommen von den ersten Sonnenstrahlen des Tages. Zu solcher morgendlichen Unzeit taste ich mich gemein unsicher durch die Welt. Blinzelnd, lichtscheu, das Gehirn noch von Spuren besonderer Weine umnebelt, der Gaumen noch etwas bereichert von der formidablen Kochkunst von Markus Pape, habe ich gerade Lust und Laune auf Naturlandschaft und das Licht am Morgen. Okay … auf zum morgendlichen Frühsport … raus in die Natur.
„Die Natur trägt immer die Farben des Geistes.“
Vielleicht liegt es am Licht. Irgendwie muss die Luft hier oben über dem Glantal anders sein. Transparenter, frischer, klarer. Die sattgelben Kornähren verneigen sich vor dem aufkommenden Sommerwind. Um sieben Uhr früh ist hier, fernab vom Trubelalltag, die Welt in Ordnung und definitiv eine andere als das verlassene Gewirre und Gezerre einer unsensiblen Großstadtwelt.
Nur sanft-harmonisches Rauschen der Winde. Kein Mensch weit und breit. Dort unten zeichnet das Glantal ein unendliches, beruhigtes Mosaik aus Wiesen, Weizen, Reben und kleinen Wäldern. Und mittendrin fügen sich die historischen Dachsilhouetten und die prächtige spätgotische Schlosskirche von Meisenheim in das morgendliche Momentum ein. Alles in seiner ganz eigenen Ordnung gruppiert, liebevoll und mit Stil und Form wie auch Respekt, wurde die prächtige Altstadt aufgemöbelt und adrett herausgeputzt. Und hier wie auch da lassen sich Ecken und Kanten, Furchen und Dellen als Zeitzeugen erkennen. Meisenheim legt seine Wunden aber auch seine Schönheiten offen. Präsentiert sich mal als lebensfrohes Dorf und gern auch mal als Kleinstadt allerlei Genüsslichkeiten.
Mein Weg zurück führt über die historische Römerbrücke, durch schmale Gässchen und einen steinernen Torbogen. In einem von alten Bäumen beschatteten Hinterhof plätschert leise ein Brunnen. Die Klänge des kleinen Flusses Glan gesellen sich zum gemeinsamen Konzert des Wassers und geben der Stimmung einen neuen Klang von Stille. Wer so wie ich den Alltag gegen Meisenheim eingetauscht hat, wird sich die Frage stellen, ob ich nicht doch einer Sinnestäuschung auf den Leim gegangen bin. Hier in Meisenheim ist alles möglich.
Hier inmitten von Meisenheim haben Markus Pape und seine Frau Clarissa eine Welt geschaffen, die einlädt zur Inventur der Gedanken und einer Inspektion der Seele. Nach meiner ersten Begegnung mit den facettenreichen Landschaften in und um Meisenheim lasse ich mich ein auf die Sinneszeit und das genüssliche Frühstück unter dem grünen Blätterschirm der herrlichen Kastanie im Innenhof von Familie Pape. Nein … es ist nicht der Charme von Aix-en-Provence oder der Gassen von Jerez de la Frontera. Oder ein Abbild dessen. Es ist eine ganz eigene, eine ganz besondere und definitiv eine Atmosphäre, welche der Seele Raum für neue Stimmungen gibt. Hier fühle ich mich angekommen, um mich mal wieder zu spüren.
Noch nach Tagen der Begegnungen in Meisenheim finde ich mich im Land der Erinnerungen. Jeder Stein erzählt seine Geschichte, jedes Gemäuer einen Roman. Man braucht nur die Augen zu justieren und seine Ohren zu sensibilisieren, in Gesichtern zu lesen und auf das sanfte Rauschen der Winde in den Gassen und draußen in der Natur zu lauschen. Manches steht geschrieben und vieles ist zu hören. Doch Meisenheim am Glan, die echte, die lebenswerte, geheimnisvolle, die lernt man daraus nicht.
Der herrlich duftende Kaffee, die liebenswerte Servicefreude und der Charme des Innenhofes haben nun wieder meine volle Aufmerksamkeit. Ebensolche bekomme ich auch von Clarissa und Markus Pape. Guten Morgen in Meisenheim.

